Kurzbeschreibung des Anti-Aggressivitäts- Trainings
Das Anti- Aggressivitäts-Training (AAT) ist eine Spezialisierung des sozialen Trainings, d.h. eine delikt- und defizitspezifische, sozialpädagogisch- psychologische Trainingsmaßnahme für Gewalttäter, in der die Auseinandersetzung mit dem Gewaltdelikt im Vordergrund steht. Das AAT ist zwischen Therapie und einem Sozialen Training anzusiedeln.
Es wurde 1986 in der Jugendanstalt Hameln von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe (u.a. mit Professor Dr. Jens Weidner) entwickelt und basiert auf einem lerntheoretisch- kognitiven Paradigma sowie auf Ableitungen aus den Bereichen der Aggressions- und Kriminalitätstheorien. Die Konzeption des Anti- Aggressivitäts- Trainings beinhaltet auch praktische Erfahrungswerte der „Glenn- Mills- Schools“ ( USA) im Umgang mit gewaltaffinen Gangjugendlichen.
Die Grundlage des Trainings ist ein optimistisches Menschenbild, welches von Respekt vor der Persönlichkeit der Täter, bei gleichzeitiger massiver Ablehnung ihrer Gewalttaten, gekennzeichnet ist.
2. Zielgruppe
Das Anti- Aggressivitäts- Training ist eine geeignete Maßnahme für Jugendliche, Heranwachsende und junge Erwachsene, die wegen einer oder mehrerer Straftaten in Verbindung mit Gewaltbereitschaft in Erscheinung getreten sind und ein Strafverfahren im Zusammenhang mit der Anwendung von Gewalt (in der Regel sind das Körperverletzungsdelikte) abgeschlossen oder bevorstehen haben. Es wäre wünschenswert, wenn das entsprechende Delikt nicht schon Monate zurückläge. Der Teilnahme kann oder sollte eine gerichtliche Weisung nach § 10 JGG zugrunde liegen, bzw. als Bewährungsauflage. Die Auswahl der Teilnehmer geschieht in der Regel unter Beteiligung von Jugendgerichtshilfe und Jugendgerichten.
Dieses Trainingsprogramm ist nicht geeignet für Suizidale, für Grenzfälle zur Kinder- und Jugendpsychiatrie, für vorherrschend Alkohol- und Drogenabhängige, für Sexualstraftäter und für Mitglieder der organisierten Kriminalität.
3. Ziele
Die Teilnehmer des Anti- Aggressivitäts- Trainings sollen lernen, sich in einem Prozess der Reflexion mit ihren Taten auseinander zu setzen. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung werden gewaltfreie Handlungsformen für Situationen, die zu aggressivem Verhalten geführt haben, neu entwickelt. Hierzu werden die Taten in einzelne Konfliktsegmente zerlegt, so dass die Teilnehmer nicht nur die Taten aufarbeiten, sondern auch die individuellen Auslöser ihrer Aggressivität kennen lernen.
Durch gezielte Provokationstestes während des Trainings sollen die Teilnehmer die Grenzen ihrer Selbstkontrolle erfahren und lernen, in angespannten Situationen gewaltfreie Reaktionsformen zu entwickeln. Das Selbstbild der Teilnehmer wird mit dem Lernziel thematisiert, die Sinnlosigkeit des Strebens nach Männlichkeit, Härte und Omnipotenz aufzuzeigen; stattdessen sollen die Teilnehmer lernen, die eigenen Schwachpunkte ihrer Persönlichkeit zu akzeptieren.
Ein weiteres Lernziel im AAT ist das Durchbrechen von typischen Rechtfertigungsstrategien und Neutralisierungstechniken der Teilnehmer, die oftmals angewendet werden, um sich von individueller Schuld zu entlasten und die Verantwortung für ihre Taten zu negieren. Die Konfrontation mit der Opferperspektive soll den Abbau von Rechtfertigungsstrategien verstärken und bei den Teilnehmern bewirken, Mitgefühl für die Opfer ihrer Taten zu entwickeln und Betroffenheit über die Tat(en) zu erzeugen.
Im Rahmen einer Kosten- Nutzen- Analyse wird den Teilnehmern aufgezeigt, welche (nicht nur) strafrechtlichen Folgen der kurzzeitigen Erhöhung des eigenen Selbstwertgefühls durch die Anwendung von Gewalt gegenüberstehen.
4 . Methoden
Das Anti- Aggressivitäts- Training basiert auf einem lerntheoretisch- kognitiven Paradigma.
Auf der Grundlage lerntheoretischer Erkenntnisse soll das gewalttätige Verhalten durch Modellernen, differentielle Bekräftigung und systematische Desensibilisierung reduziert werden. Ergänzt wird dieses Verhaltenstraining durch die kognitive Komponente, nach der die typischen Denkmuster und irrationalen Überzeugungen der Trainingsteilnehmer durch Konfrontation in Frage gestellt werden. Diese Form der Auseinandersetzung mit aggressivem Verhalten orientier sich am Selbstverständnis der “Provokativen Therapie“.
Gleichzeitig fließen praktische Ableitungen aus Aggressions- und Kriminalitätstheorien sowie Selbstthematisierungen von Gewalttätern in die Trainingspraxis ein.
Die praktischen Ableitungen aus den für das Trainingsprogramm relevanten Theorien münden in ein „ Curriculum zum Abbau der Gewaltbereitschaft“, dessen Lerninhalte mit den Trainingsteilnehmern im Rahmen der Trainingspraxis bearbeitet werden. Die Eckpfeiler dieses Curriculums sind die folgenden Trainingsfaktoren: (Aggressivitätsauslöser , Selbstbild zwischen Ideal- und Realselbstbild, Neutralisierungstechniken, Opferkommunikation, Aggressivität als Vorteil und Provokationstests “.)
Ein weiterer methodischer Bestandteil des Anti- Aggressivitäts- Trainings sind die Sitzungen auf dem sogenannten „heißen Stuhl“, eine therapeutische Methode, die ihre Ursprünge in der Psychodrama- Therapie und der Gestalttherapie hat. Im Verlauf des gesamten Trainingskurses kommt jeder Teilnehmer auf den „heißen Stuhl“, um gemeinsam in und mit der Gruppe die Lerninhalte des „Curriculums zum Abbau der Gewaltbereitschaft“ zu bearbeiten.
5. Rahmenbedingungen und Ablauf eines Trainingskurses
Die folgenden Ausführungen basieren auf den bisher gesammelten Erfahrungen des Trainerteams bei der praktischen Durchführung des Anti- Aggressivitäts- Trainings in den ehemaligen Landkreisen Wernigerode und Halberstadt (Teile des heutigen Harzkreises) und entsprechen den für das Anti- Aggressivitäts- Training festgelegten Qualitätsstandards des Institutes für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) in Frankfurt am Main.
5.1 Teilnehmerzahl
In einen Kurs werden mindestens sechs, maximal acht Teilnehmer aufgenommen. Diese Gruppengröße hat sich in der Praxis als vorteilhaft erwiesen.
5.2 Kurs- und Sitzungsdauer
Die Anzahl der durchzuführenden Sitzungen steht in Abhängigkeit zur Teilnehmerzahl. Ausgehend von acht Trainingsteilnehmern werden insgesamt 25 Sitzungen durchgeführt.
Die Sitzungen finden einmal wöchentlich statt, so dass sich die gesamte Kursdauer auf einen Zeitraum von 25 Wochen erstreckt. Da auch Sitzungen an Wochenenden durchgeführt werden, kann sich die Kursdauer verkürzen.
Eine Sitzung dauert sechs Stunden inklusive Vor- und Nachbereitung des Trainingskurses . Dabei beträgt die Sitzungsdauer für die Trainingsteilnehmer und Trainer in der Regel mindestens vier Stunden; zwei Stunden benötigt das Trainerteam zur Vor- und Nachbereitung der Sitzungen. Alle Sitzungen werden gemeinsam vom Trainerteam vorbereitet, ausgewertet und protokolliert.
5.3 Ablauf eines Trainingskurses
Zu Beginn des Trainingskurses wird mit jedem Trainingsteilnehmer ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen, der verbindliche Regeln für die Kursteilnahme beinhaltet.
Sollten im Laufe des Trainingskurses die Trainingsteilnehmer mehrfach gegen die vereinbarten Regeln verstoßen, so wird vom Trainerteam eine angemessene Anzahl von Nachholterminen festgelegt.
Am Beispiel von 8 Teilnehmern und somit 25 Sitzungen gliedert sich der Trainingsablauf wie folgt:
Integrationsphase (Sitzung 1-4)
Gegenstand der Integrationsphase ist das Kennenlernen der Teilnehmer, deren Teilnahmemotivation, Biographie und Gewaltdelikte.
Im Zuge dessen werden durch Interviews, Fragebögen und psychologische Testverfahren provozierende, aggressivitätsauslösende Situationen herausgefiltert, die zu gewalttätigem Verhalten der Trainingsteilnehmer geführt haben. In der Integrationsphase erwerben die Trainer von den Trainingsteilnehmern die Interventionsberechtigung, d.h. die Trainingsteilnehmer geben den Trainern die Erlaubnis, mit ihnen konfrontativ und provokativ umzugehen.
Konfrontationsphase (Sitzung 5-22)
Im Mittelpunkt dieser Phase stehen de Sitzungen auf dem „ heißen Stuhl“, wobei jeder Teilnehmer im Verlauf der Konfrontationsphase zweimal auf dem „ heißen Stuhl“ Platz nehmen muss. Die Teilnehmer werden auf dem heißen Stuhl gezielten Provokationstests unterzogen und mit ihren Taten konfrontiert.
Hierbei werden die Gewaltrechtfertigungen der Teilnehmer solange hinterfragt, bis die Bereitschaft besteht, sich mit dem realen Tatverlauf auseinander zu setzen. Die Einbeziehung der Opferperfektive soll bei den Teilnehmern den Abbau von Rechtfertigungsstrategien bewirken und den Aufbau von Empathie fördern. Im Rahmen der Einbeziehung der Opferperspektive findet eine Sitzung für die Teilnehmer unter der Maßgabe statt, Entschuldigungsbriefe an ihre Opfer zu verfassen, welche aber nicht abgeschickt werden.
Während der Konfrontationsphase wird auch das Selbstbild der Teilnehmer thematisiert, um ihnen die Dissonanz zwischen den Idealvorstellungen von sich und dem realen Empfinden der eigenen Persönlichkeit aufzuzeigen. Ebenso wird den Teilnehmer aufgezeigt, dass ein kurzzeitiges Überlegenheitsgefühl nach einer Gewalttat langfristige strafrechtliche Konsequenzen haben kann.
Innerhalb der Konfrontationsphase findet eine gemeinsame Freizeitaktivität unter der Zielsetzung statt, dass Gemeinschaftsgefühl des Trainingskurses zu fördern.
Reflektionsphase (Sitzung 23- 25)
Gegenstand der Gewaltverringerung ist die Verschiebung der Wertvorstellungen der Teilnehmer. Demnach soll Friedfertigkeit als Stärke begriffen werden, und nicht mehr als Schwäche und Feigheit. Die Teilnehmer sollen in der Lage sein, die Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen und damit von Tatrechtfertigungen abrücken.
6. Evaluation
Die testpsychologische Auswertung des Trainingskurses erfolgt durch das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) in Frankfurt am Main. Die für die Auswertung notwendigen psychologischen Tests werden vom Trainerteam im Pre / Post- Test- Verfahren durchgeführt.
7. Fachliche Begleitung des Trainingskurses
Das Trainerteam kann während seiner Arbeit jeder Zeit die Hilfe des ISS ( speziell, Professor Dr. Jens Weidner) in Anspruch nehmen. Des weiteren besteht ein reger Erfahrungsaustausch sämtlicher lizenzierter AAT-Trainer in einer internen E- Group.
8. Kosten der Trainer
Der Berechnung liegen 25 absolvierte Sitzungen im Rahmen des Trainingskurses sowie vier Arbeitsstunden pro Trainer für jede Sitzung zugrunde.
( Die Vor- und Nachbereitungszeit wurde nicht einberechnet!)
Der Stundensatz pro Trainer beträgt 40,00 €. Somit belaufen sich die Kosten eines Trainers pro Sitzung auf 160,00 €, für beide Trainer zusammen auf 320,00 €.
Hieraus ergeben sich für die Durchführung des gesamten Trainingskurses Trainerhonorarkosten in Höhe von 4.000,00 € pro Trainer, so dass sich die gesamten Trainerkosten für diesen Kurs auf einen Betrag in Höhe von 8.000,00 € beziffern.. Hinzu kommt die Erstattung von Fremdhonoraren für Gastreferenten, sowie Fahrkosten der Trainer. ( ca.1000,00 € ). Es ergibt sich somit eine Gesamtsumme von 9.000,00 € pro Trainingskurs.
In diesem Angebot sind weder Vor- noch Nachbereitung, sowie die Auswertung und Protokollierung der Sitzungen enthalten.
Sollte Ihnen dieses Angebot zu niedrig bzw. zu hoch erscheinen, so steht Ihnen das Trainerteam für Rückfragen jederzeit zur Verfügung.
9. Weitere Informationen über Literatur und Filmmaterial zum Anti- Aggressivitäts- Training
Literaturhinweis:
Weidner, Jens (1990) : Anti- Aggressivitäts- Training für Gewalttäter. Bonn: Forum Verlag Godesberg.
Weidner, Jens / Kilb, Rainer / Kreft, Dieter (Hg.): Gewalt im Griff ( Teil 1-3). Weinheim und Basel: Beltz Verlag
Konfrontative Pädagogik. Forum Verlag Godesberg 2001
Filmmaterial :
„ Abschied vom Faustrecht “ – Junge Gewalttäter üben Friedfertigkeit; ZDF- Reportage, 1991, 45 Minuten.
„ Gewalt im Griff “ - Wie aggressive Jugendliche „ cool “ werden; ZDF- Reportage, 1998, 30 Minuten